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10 Rezensionen NetGalleyDE Challenge 2018

Sonntag, 23. Dezember 2018

Stumm - Sam Hayes

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Als Julia eines Tages beim Spaziergang mit dem Hund ihrer Mutter eine ihrer Schülerinnen, Grace, schwer verletzt und halb erfroren in einem Feld findet, gerät ihre Welt noch ein wenig mehr aus den Fugen als ohnehin schon. Nach jahrelangem Kampf hat sie sich kurz zuvor von ihrem Ehemann Murray getrennt, den sie seit ihrer Geburt kennt, der allerdings seit Jahren ein schweres Alkoholproblem hat. Allein mit ihren beiden kleinen Kindern Alex und Flora muss sie sich zusätzlich um ihre Mutter Mary kümmern, die seit einigen Tagen in ein unheilvolles Schweigen verfallen ist. Die einst so lebensfrohe und tatkräftige Frau ist vollkommen in sich zusammen gesunken und scheint jeglichen Lebenswillen verloren zu haben. Jegliche Bemühungen, ihre Mutter wieder zum Reden zu bringen scheitern und auch David Carlyle, der attraktive und charmante Arzt weiß nicht mehr weiter. Was war es, das Mary so plötzlich verstummen ließ?
Während Julia gleichermaßen versucht, sich um ihre eigenen Kinder, ihre Mutter und die beiden Pflegekinder ihrer Mutter, Brenna und Gradin, zu kümmern, merkt sie, dass sie sich zu dem fürsorglichen Arzt ihrer Mutter hingezogen fühlt. Doch dann muss Julia mitansehen, wie er als Hauptverdächtiger in Graces Fall verhaftet wird. Das junge Mädchen liegt im künstlichen Koma im Krankenhaus und kann sich nicht dazu äußern, wer sie angegriffen hat. Julia ist sich sicher, dass David zu Unrecht verhaftet wurde. Doch als ausgerechnet ihr fast Ex-Ehemann Murray dem Fall als Pflichtverteidiger zugeteilt wird, schwindet ihre Hoffnung. Julia traut Murray kaum noch zu auf seine eigenen Kinder aufzupassen, da er andauernd betrunken ist und sie Angst hat, die taube Flora könnte unbemerkt von seinem Boot, auf dem er wohnt, ins Wasser fallen und ertrinken. Wie soll Murray es da schaffen, nüchtern genug zu bleiben, um David aus dem Gefängnis zu holen? Und wird er sich, da er immer noch hofft seine Frau zurückzuerobern, überhaupt bemühen?
Doch Murray bemüht sich, da er Julia beeindrucken möchte, obwohl er ganz und gar nicht von Davids Unschuld überzeugt ist. Vor allem durch seine Eifersucht geleitet stellt Murray weitere Nachforschungen über David an und stößt auf erschreckende Ergebnisse. Die Beweise, dass der Arzt für den Angriff verantwortlich ist, scheinen stichhaltig zu sein. Doch ist die Lösung wirklich so einfach oder steckt noch mehr dahinter? Allerdings macht David sich nicht nur in dieser Hinsicht verdächtig; auch was Marys Diagnose betrifft treten Unstimmigkeiten ans Licht. Die Diagnose stimmt nicht mit den MRT Bildern überein und ist Mary tatsächlich in einer psychiatrischen Klinik am besten aufgehoben, deren Bezahlung er auch noch übernimmt? Handelt der Arzt wirklich im besten Interesse seiner Patientin? Zwischen Mary und David scheint eine Verbindung zu bestehen, deren Folgen langsam aber sicher im Laufe des Buches sichtbar werden. Verstummt ist Mary angesichts der Lasten ihrer Vergangenheit, doch ebenso stumm stehen diverse Geheimnisse zwischen den Protagonisten, die nicht ausgesprochen werden …

Geschrieben ist der fast 400 Seiten lange Roman abwechselnd aus der Perspektive von Julia, Murray und Mary. Dabei wird nicht nur ein ausführlicher Einblick in die gegenwärtigen Gefühle und Gedanken der Protagonisten gegeben, sondern auch viel aus der Vergangenheit erzählt. Durch die Blicke in die Kindheit von Julia und Murray werden die Charaktere sehr lebensecht, die ausführlichen Erinnerungen der Protagonisten lassen diese und ihre Handlungen sehr real wirken. Stückchenweise werden dem Leser Informationen und Einblicke geliefert, die weitere Fragen aufwerfen und die Spannung bis zum Schluss erhalten. Obwohl manche Entwicklungen voraussehbar waren, ist der Psychothriller bis zum Schluss spannend geblieben und war genauso fesselnd wie versprochen.

Fazit: Ich konnte den Psychothriller kaum aus der Hand legen, sobald ich einmal mit dem Lesen angefangen hatte und kann ihn definitiv weiterempfehlen!
Sam Hayes hat mit „Stumm“ einen sowohl sprachlichen als auch inhaltlich tollen Psychothriller verfasst. Dabei baut die Spannung des Romans nicht auf brutalen Handlungen oder viel Action auf, sondern auf den Geheimnissen der Menschen und wie die Vergangenheit immer noch die Gegenwart beeinflusst. Besonders gestärkt wird die Spannung durch die durchdachte Erzählung der Geschehnisse aus mehreren Perspektiven.

Erhältlich bei:
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Thalia

Montag, 3. Dezember 2018

Ich weiß, wo sie ist - S.B. Caves

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Die zielstrebige Francine sucht nach fast zehn Jahren immer noch nach ihrer Tochter Autumn. Obwohl ihre Ehe mit Will aufgrund dieser Tragödie zerbrach und Francine zuerst Trost im Alkohol suchte, lässt sie keine Möglichkeiten aus, um Autumn wieder zu finden. In ihrer Verzweiflung sucht sie auch eine Hellseherin auf und versucht es mit Traumdeutung.
Ihr Exmann Will dagegen hat den Verlust mit dem Schreiben von Büchern verarbeitet, wurde erfolgreich und wohlhabend. Mit Sheila hat er sich ein neues Leben aufgebaut.
Als Francine eines Tages einen Zettel in ihrer Wohnung findet, auf dem "Ich weiß, wo sie ist" steht, fährt sie zu Will, um mit ihm darüber zu reden. Dieser sieht in der Botschaft allerdings nur einen böswilligen Scherz und nimmt Francines Hoffnungen nicht ernst, sondern schickt sie empört wieder weg. Francines klammert sich an diese Hoffnung.
Am nächsten Tag allerdings fällt Francine bei der Arbeit ein junges Mädchen in alter, abgetragener Kleidung auf, das sich um ihr Auto schleicht. Auf Francines Nachfrage behauptet das Mädchen, Lena, ihre Tochter Autumn zu kennen. Um zu beweisen, dass sie Autumn wirklich kennt, singt Lena Francine das Schlaflied vor, das diese ihrer Tochter als Kind vorgesungen hat. Aber kann Francine wirklich darauf vertrauen, dass Lena die Wahrheit sagt? Das Mädchen wirkt verängstigt und  scheint teilweise geistig abwesend zu sein. Angeblich wird Autumn gefangen gehalten, ebenso weitere Mädchen. Lena behauptet ebenfalls dort gewesen zu sein. Allerdings gibt Lena keine weiteren Details preis. Die Polizei aufzusuchen wäre auch keine Option, da sie überzeugt sei, diese sei in die Sache verwickelt. Francine hofft auf die Unterstützung von Will. So beschließt Francine, mit Lena zu Will zu fahren, damit dieser ihr helfen kann. Doch Will untersagt ihr jegliche Hilfe. Francine ist bei der Suche nach ihrer Tochter weiterhin auf sich alleine gestellt. Oder handelt es sich um ein abgekartetes Spiel, um Francine zu Grunde zu richten? Kann sie Lena vertrauen?

„Ich weiß, wo sie ist“ wird hauptsächlich aus der Perspektive von Francine erzählt. Der Thriller ist in drei Teile gegliedert und innerhalb derer in kurze, gut verständliche Kapitel. Der spannende und fesselnde Schreibstil zieht den Leser in seinen Bann, so dass es mir schwer fiel, das Buch aus der Hand zu legen. Der Leser fiebert unweigerlich mit Francine mit und dringt tief in die Psyche der Protagonistin. Lebt Autumn wirklich noch oder steigert sich Francine zu sehr in ihre Verzweiflung?
S.B. Caves versteht es die Protagonisten so gut zu charakterisieren, dass diese sehr realitätsnah und authentisch wirken. Man kann förmlich diese Verzweiflung spüren und
die Spannung, die bereits in den ersten Seiten entsteht, lässt auch im weiteren Roman nicht nach, sondern spitzt sich bis zum Ende zu.

Fazit: Dieses Buch ist absolut lesenswert. Für alle Fans von Psychothrillern, mit stetig steigendem Spannungsbogen und einem unerwarteten Ausgang. Vielen Dank für die fesselnden Lesestunden!